Maria, Herzogin von Brabant

Tochter König Philipps von Schwaben

Maria, die wohl zweite Tochter König Philipps von Schwaben und der Irene von Byzanz, wurde zwischen 1199 und 1206 geboren. Sie wurde schon als Kind mit Heinrich II. von Brabant verlobt, die Vermählung erfolgte 1215. 1235 ist sie gestorben.
Über ihr Leben besitzen wir nur wenige direkte Nachrichten, aber manches läßt sich aus den Quellen über ihren Schwiegervater, den Herzog I. von Brabant (1190—1235), und seinen Sohn, Marias Gemahl, Heinrich II. von Brabant (1207—1248), erschließen.
In dem skrupellosen, wechselvollen Spiel ihres Schwiegervaters und seines Sohnes, auch ihrer Schwägerin zwischen Staufern und Welfen, muß die Ehe der staufischen Maria sehr unglücklich gewesen sein. Die dunklen Fäden um ihr Leben verwirren sich unheilvoll, sie sind schwer überschaubar — der Leser muß sich die Mühe nehmen, den sich ständig verändernden Mustern zu folgen.
Brabant gehört heute zum Teil zu Belgien, zum Teil zu Holland. Die Herren über Brabant waren zunächst die Grafen von Löwen, die sich später Grafen von Lothien nannten, weil ein Teil Lothringens zu ihrem Besitztum gehörte. 1006 wurde die Grafschaft Herzogtum und seit Heinrich I. Brabant genannt. Es reichte von der Waal bis zu den Quellen der Dyle, von der Maas und Limburger Ebene an die Schelde.
Heinrich I., der Schwiegervater der staufischen Maria, der in zweiter Ehe mit Maria, der Tochter König Philipps II. August von Frankreich, vermählt war, erlangte durch die strategisch wichtige Lage seines Herzogtums und weit verzweigten verwandtschaftlichen Beziehungen zu den herrschenden Häusern einen bedeutenden Einfluß auf das politische Geschehen. Er galt in seiner Zeit, in welcher politische Gesinnung oft nach dem Vorteil geändert wurde, als der wankelmütigste und treuloseste Herrscher, auch seinen staufischen Verwandten gegenüber. Als der französische König Philipp II. August, der Schwiegervater Heinrichs I. von Brabant, 1214 die entscheidende Schlacht bei Bouvines gegen England und den Welfen Otto IV. gewonnen hatte, schickte Heinrich I., der sich wieder einmal fragwürdig verhalten hatte, dem französischen König einen Glückwunschbrief, den dieser mit zwei versiegelten Schreiben beantwortete; das erste war ganz leer, auf dem zweiten stand: »Sicut prior schedula scriptura fuit vacua, ita est dux fide vacuus et iusti-tia.« (So leer wie das erste Blatt an Schrift, so leer ist der Herzog an Treue und Gerechtigkeit.)
In einem solchen Ansehen stand der Schwiegervater Marias von Hohenstaufen, und auch Marias Gatte Heinrich II. war dieses Vaters würdiger Nachfolger. Von den Staufern bevorzugt und bei wichtigen Anlässen herangezogen, vergalten Vater und Sohn ihnen dies durch Abfall, Untreue, ja Gegnerschaft, was das Leben Marias von Hohenstaufen getrübt und verbittert haben mag.
Schon seit den Tagen Kaiser Heinrichs VI., der den schwankenden Herzog Heinrich I. hart anzufassen genötigt war, war das Verhältnis der Brabanter zu den Staufern ungut. 1198 stellte sich Heinrich I. von Brabant gegen die Wahl Philipps von Schwaben und verband sich mit dem Gegenkönig, dem welfischen Otto IV. von Braunschweig; der Brabanter erwog eine Verlobung seiner Tochter Maria mit dem Welfen Otto, auf die Otto aber nicht einging. Als der Erfolg sich Philipp zuneigte, trat Heinrich I. von Brabant an dessen Seite. Damals wurde mit Philipp die Verlobung jener brabantischen Herzogstochter Maria mit dem fünf Jahre alten, in Palermo lebenden Neffen Philipps, Friedrich, in Erwägung gezogen, kam aber nicht zustande. Später sollte sie den Welfen Otto IV. ehelichen. Maria stammte aus der ersten Ehe Heinrichs I. von Brabant mit Mathilde, der Tochter des Matthäus von Elsaß, Grafen von Boulogne.
1206, im Krieg zwischen König Philipp von Schwaben und Otto IV., verhalf Herzog Heinrich I. dem König Philipp zum Sieg, indem er durch eine vorgetäuschte Flucht Ottos Heer in die morastige Gegend nach Wassenberg bei Aachen gelockt hatte. Am Osterfest 1207, das Philipp als Sieger über den Gegenkönig Otto IV. in Köln feierte, nahm auch Heinrich I. teil; damals wurde die auf dem Hoftag von Gelnhausen am 9. Februar 1207 verabredete Verlobung der Tochter Philipps, Maria, die noch ein Kind war, mit dem eben erst geborenen Sohn Heinrichs I., Heinrich, vertraglich festgelegt. Unter Berufung auf seine staufische Verwandtschaft trat der sich überschätzende Herzog Heinrich I. nach der Ermordung Philipps von Schwaben als Mitbewerber um die deutsche Krone gegen Otto IV. auf, konnte sich aber gegen diesen nicht durchsetzen.
Nach dem Eintreffen des 18jährigen Friedrich II. aus Sizilien in Deutschland und dessen ersten Erfolgen, leistete Heinrich I. diesem Gefolgschaft. Heinrich war an Kaiser Friedrichs Reichstag am 2. März 1212 in Frankfurt zugegen, auch als Kaiser Friedrich II. im folgenden Jahr das Weihnachtsfest in Speyer feierte. Damals wurde der aus Bamberg übergeführte Leichnam König Philipps in der Kaisergruft beigesetzt, wozu Heinrich I. im Namen seiner Schwiegertochter die Einwilligung gab.
Schon im folgenden Jahr verhielt sich Herzog Heinrich I. wieder zweideutig, indem er von Kaiser Friedrich II. wieder zu Otto IV. überwechselte. Otto war bis 1212 in kurzer Ehe von wenigen Tagen mit Beatrix der Älteren, einer Tochter König Philipps von Schwaben, vermählt gewesen. (Über diese seltsame Ehe berichtet ein vorhergehender Abschnitt.) Am 19. Mai 1214 verlobte sich Otto in Maastricht mit Maria, der Tochter Heinrichs I., und feierte bald darauf in Aachen die Hochzeit.
Herzog Heinrich I. unterstützte seinen Schwiegersohn Otto IV., der bei Bouvines geschlagen worden war und gebrochen und hilflos nach Köln kam. Hier machte Ottos zügellose Gemahlin, eben die brabantische Maria, so große Spielschulden, daß Otto unter dem Vorwand, er gehe auf die Jagd, aus der Stadt ritt und seine in Köln verhaßt gewordene Gemahlin ihm heimlich in Pilgertracht nach Braunschweig folgte. Diese brabantische Maria mag den letzten Lebensjahren des gebrochenen und verzweifelten Welfen Otto IV. wenig Glück gebracht haben.
Auf seinem Kriegszug im August 1214 überschritt Kaiser Friedrich II. die Maas und gelangte bis Hamal bei Tongern. Nun sollte auch der Schlag gegen den ungetreuen Heinrich I. geführt werden. Bald hatte dieser seine staufische, dann wieder seine welfische Verwandtschaft ausgespielt, um bald diesen, bald jenen gegen den anderen zu verraten. Von Kaiser Friedrich II. bedrängt, kam es ihm nicht darauf an, im Handumdrehen Otto IV. zu verlassen, zu Kaiser Friedrich II. überzulaufen und Treue zu geloben. Dem Treulosen widerfuhr im Lager Friedrichs II. zu  Wurselen  bei  Köln Gnade.  Für seine Unterwerfung erhielt Heinrich I. Maastricht zu Lehen. Friedrich wollte seinen Verwandten schonen; vielleicht tat er es auch aus der Erfahrung, daß die Treue des Brabanters käuflich war.
Hier tritt der noch junge Verlobte der staufischen Maria, der siebenjährige Heinrich II., in Erscheinung. Kaiser Friedrich II. mochte dem Treuegelöbnis Heinrichs I. nicht recht getraut haben, dieser mußte seinen Sohn als Geisel stellen. So befand sich Heinrich, vielleicht auch seine Verlobte, im Gefolge des staufischen Kaisers, der ruhmvoll in Aachen einzog und dort am 25. Juli 1215 noch einmal feierlich gekrönt wurde. Er erlebte auch die Umbettung der Gebeine Karls des Großen in den prachtvollen Silberschrein, den Friedrich I. Barbarossa gestiftet hatte und auf dem Kaiser Friedrich II., der den Schrein verschloß und zunagelte, selbst als Jüngling abgebildet ist.
1235 widerfuhr Heinrich II., der nach dem Tod seines Vaters Herzog von Brabant geworden war, eine besondere Auszeichnung. Er gehörte zu jenen Rittern, welche die Schwester des Königs von England, Isabella, als Braut Kaiser Friedrichs II. abholten und nach Deutschland geleiteten. Gewiß befand sich bei der Brautfahrt von Antwerpen über Köln nach Worms, dem Ort der Vermählung und des Beilagers, Herzog Heinrichs II. Gemahlin im kaiserlichen Gefolge und erlebte die festlichen Tage ihres Vetters. Von der geradezu märchenhaften Pracht des Brautzugs und der Vermählung wird in der Lebensbeschreibung der Isabella von England berichtet.
Die staufische Maria starb bald danach, wodurch ihr harte Schicksalsschläge, ihr Geschlecht und ihre Töchter betreffend, zu erleben erspart blieb.
Friedrich II. hatte den Gatten seiner Cousine Maria mit Ehren ausgezeichnet, was Herzog Heinrich II. nicht hinderte, von Kaiser Friedrich II. abzufallen, als Papst Innozenz IV. ihn 1245 durch das Konzil von Lyon absetzen ließ. Heinrich II., der Gemahl der staufischen Maria, stellte sich auf die Seite des Gegenkönigs, seines Schwiegersohnes Heinrich Raspe von Thüringen. Beatrix, die Tochter der staufischen Maria, wurde 1241 in dritter Ehe von Heinrich Raspe IV. von Thüringen geheiratet, der fünf Jahre später Gegenkönig Friedrichs II. wurde.
Nachdem Herzog Heinrich II. seine vom Papst geförderte Wahl zum Gegenkönig abgelehnt hatte, nahm Heinrich Raspe, den sich der Kaiser vielfach verbunden hatte, die 1246 in Veitshöchheim bei Würzburg erfolgte Wahl an. Weil sie fast durchwegs durch geistliche Würdenträger erfolgt war, bekam Heinrich Raspe den Beinamen »Pfaffenkönig«. Heinrich Raspe (er hieß so nach einer Burg in Thüringen; Raspe bedeutet soviel wie der Rauhe) hatte seine Schwägerin, die heilige Elisabeth, die Gemahlin Ludwigs IV. des Frommen von Thüringen,   der als Gefolgsmann am Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. 1227 in Apulien gestorben war, verdrängt und galt als mitschuldig an der Beseitigung seines siebzehnjährigen Neffen Hermann.
Er war sowohl mit den Staufern als auch mit den Brabantern nahe verwandt. Sein Kriegsglück gegen König Konrad IV., den Sohn Friedrich II. und Vater Konradins, nahm nach dem Widerstand der Stadt Reutlingen, wo er von Konrad IV. besiegt wurde, eine Wendung. Verwundet floh er, verletzte sich durch einen Sturz  vom Pferd und kam krank  bis zur Wartburg, wo er am 17. Februar macht- und ruhmlos starb. Da er kinderlos war, »drang Herzog Heinrich II. von Brabant mit einem starken Heere in sein Land ein, unter dem Vorwand, seine Tochter Beatrix,  die die Gemahlin  des  Landgrafen war, zu schützen, und übernahm sowohl das Land und die Burgen wie auch die Regierung des Landes«. (Annalen des Abtes Albert von Stade.)
Nun trat Heinrich II. neuerdings als Mitbewerber um die deutsche Krone auf, schlug dann aber den ihm nahe verwandten 19jährigen Grafen Wilhelm von Holland vor. Dessen Mutter war eine Schwester Heinrichs II., Maria, deren erster Gemahl Otto IV. 1218 gestorben war. Mit Wilhelm von Holland wurde nach Heinrich Raspe ein zweiter Verwandter der Brabanter und Staufer Gegenkönig Friedrichs II. Bei Wilhelms Wahl 1248 war Heinrich II. zugegen. Wilhelm von Holland hielt sich nur durch die großen geldlichen  Zuwendungen des Papstes über Wasser.
Nun meldete sich auch wieder die Feindschaft der Welfen gegen die Staufer. Wilhelm von Holland bekam Elisabeth von Brabant, eine Tochter Herzog Ottos von Braunschweig, zur Frau. Während des Beilagers in Braunschweig am 25. Januar 1252 geriet das Brautbett durch eine umgefallene Kerze in Brand. Die Verwilderung der Sitten auch in den Kreisen des Adels machte sich bemerkbar. Als Wilhelms Gemahlin von Trifels nach Worms reisen wollte, wurde sie von dem Raubritter Hermann von Ritberg solange in Odernheim gefangengehalten, bis sie ihm alle Kleinodien ausgehändigt hatte. Der Erzbischof von Köln, ein Gegner Wilhelms von Holland, ließ das Haus in Neuß, in dem der König wohnte, anzünden, damit der König darin verbrenne. Als der König am 28. Januar 1256 mit seiner schweren Rüstung in der Gegend des Berkmeeres durchs Eis brach, wurde er von den ihm feindlichen Friesen erschlagen.
Die politischen Ereignisse in Deutschland, an denen die brabantischen Verwandten der staufischen Maria so regen und treulosen Anteil nahmen, müssen hier nicht weiter verfolgt werden. Heinrich II., der Witwer nach der staufischen Maria, der sich in zweiter Ehe mit Sophie, der Tochter des Landgrafen Ludwigs IV. von Thüringen und der heiligen Elisabeth, vermählt hatte, war bald nach seiner Beteiligung an der Wahl des Grafen Wilhelm von Holland zum Gegenkönig der Staufer am 1. Februar 1248, 41 jährig, gestorben. Der Tod hinderte ihn an »weiteren Untaten der Treulosigkeit«.

Seltsam und hart wurde das Leben der Töchter aus der Ehe Heinrichs II. von Brabant und der staufischen Maria. Beatrix wurde mit Heinrich Raspe, Landgrafen von Thüringen und späteren Gegenkönig vermählt; ihr ist ein besonderer Abschnitt gewidmet. Die andere Tochter, Maria, war seit dem 2. August 1254, damals etwa erst 15jährig, mit dem Herzog Ludwig II. von Bayern vermählt. Ludwig II. ist der Bruder Elisabeths, der Mutter Konradins. Er führte den Beinamen des Strengen, obwohl der des Grausamen besser zu ihm gepaßt hätte. Schon zwei Jahre nach der Eheschließung ließ Ludwig seine Gemahlin ermorden. Über diesen »Gattenmord in Donauwörth« wird in dem Abschnitt über Elisabeth von Bayern, die Mutter Konradins, berichtet.