Kunigunde, Königin von Böhmen

Tochter König Philipps von Schwaben

Kunigunde, die nach 1199 geborene Tochter König Philipps von Schwaben und der Irene von Byzanz, war noch ein Kind, als sie mit Wenzel I., dem Sohn des staufertreuen Königs Ottokar I. von Böhmen aus dem Geschlecht der Premysliden, verlobt wurde.
Wo und wie Kunigunde mit ihren anderen drei Schwestern nach der Ermordung ihres Vaters und dem Tod ihrer Mutter 1208 lebte, wissen wir nicht. Der Bischof von Speyer nahm sich der vier verwaisten Mädchen an, doch mögen die, welche bereits verlobt waren, frühzeitig an die betreffenden Höfe gekommen oder in Braunschweig mit ihrer älteren Schwester Beatrix herangewachsen sein.
Die Vermählung Kunigundes mit Wenzel fand 1216 in Prag statt, dahin sie mit großem Gefolge, einer reichen Ausstattung und vielen Frauen und Mädchen gekommen war. 1228 wurde sie mit Wenzel I. durch den Erzbischof Siegfried von Mainz feierlich gekrönt. Ottokar I. hatte für seinen Sohn eine kostbare Krone anfertigen lassen, die später von Karl IV. zu einem prächtigen Kleinod umgestaltet wurde.
1230 wurde Wenzel I. nach dem Tod seines Vaters böhmischer König. Er genoß im Reich hohes Ansehen. Kaiser Friedrich II. wie der Papst Gregor IX. nannten ihn unter ihren Reichsfürsten an erster Stelle. Zeitweilig war Wenzel während der Abwesenheit des Kaisers Procurator sacri per Germaniam imperii, also Reichsverweser. Als solcher hatte er auch den widerspenstigen Sohn Kaiser Friedrichs II., Heinrich (VII.), zu überwachen.
Kunigunde war durch ihre Heirat in eines der größten und wirtschaftlich am besten gestellten Reichsländer gekommen. Der Minorit Bartholomäus Angelicus bezeichnet es in seiner Beschreibung Deutschlands aus dem Jahr 1240 nicht nur als fruchtbar, gesund, überreich an Wein und Getreide, sondern auch als ungemein ergiebig an Gold, Silber, Zinn und anderen Metallen.
Für Wenzel war Kunigunde wegen ihrer Anteile am Herzogtum Schwaben willkommen. Am Hoftag zu Eger 1235 erhielt er für den Verzicht auf das schwäbische Allod seiner Frau von Friedrich II. 10 000 Mark Abfindung.
Kunigunde war die sechzehnte jener deutschen Frauen, die seit der Gemahlin Boleslaw II. (976—999) als Gattinnen böhmischer Herzöge und Könige nach Prag kamen. Durch Kunigunde wurde der deutsche Einfluß noch verstärkt, was der Aufenthalt einiger deutscher Minnesänger am Prager Hof beweist, so des Reinmar von Zweter, Schüler Walthers von der Vogelweide und einziger bedeutender Spruchdichter nach ihm.  Noch kamen die  deutschen Dichter von auswärts nach Prag, aber bald schon sollte es vor allem unter dem Sohn Kunigundes, Ottokar II., selber deutsche Minnesänger und Epiker hervorbringen; der Enkel Kunigundes, König Wenzel II., sang seine Liebeslieder in deutscher Sprache.
Das Leben am Prager Hof stand dem an anderen Höfen nicht nach, nur war es durch das slawische Element lauter, bunter und prunkvoller. Daneben trat eine Frömmigkeit im franziskanischen Geist, verbreiteten sich religiös-mystische Strömungen und Weltabkehr als Folge einer sich immer mehr verwirrenden Zeit während des Kampfes zwischen dem Kaiser und den Päpsten. Von diesen Strömungen wurde die fromm erzogene Kunigunde erfaßt, ihre Vorbilder wurden die ihr verwandten heiligen Frauen, Elisabeth von Thüringen (gestorben 1231) und Hedwig von Schlesien (gestorben 1243), und die hl. Clara. Eng verbunden muß sich Kunigunde ihrer später seliggesprochenen Schwägerin Agnes gefühlt und bei Eheschwierigkeiten und in den politischen Auseinandersetzungen zwischen ihrem Gatten und Sohn Trost gefunden haben.
Um Kunigundes Schwägerin Agnes hatte der Sohn Kaiser Friedrichs II., Heinrich (VII.) geworben, doch auch der Kaiser hatte eine Verbindung mit Agnes angebahnt. Schon war die Mitgift, die Agnes erhalten sollte, festgelegt worden (30 000 Mark), ebensoviel wie Isabella von England dem Kaiser als dessen dritte Gemahlin einbrachte. Die Pläne zerschlugen sich, da Agnes, die »dem himmlischen, nicht dem irdischen Bräutigam dienen wollte«, den Schleier nahm und in den Orden der Clarissinnen eintrat, dem sie ein Kloster erbaute. 1328 wurde sie seliggesprochen.
Der Papst wandte sich an sie, um Einfluß auf Kunigundes ungestümen und oft unberechenbaren Gatten Wenzel zu nehmen. Auch ihm war sie Rat und Halt, sie war ihm »teurer als Weib und Kind und jegliches Gut«.
Wenzel I. war seiner Schwester, aber auch seiner Gattin sehr ungleich, war ein schwieriger, von wechselnden Gefühlen umgetriebener Mann. Seine Jugend war durch die unruhigen Ereignisse um seinen ruhelosen Vater Ottokar I. beschattet, durch dessen zerrüttete Ehe mit Adelheid von Meißen, deren Scheidung sich, als vom Papst benutzte politische Handhabe, jahrelang hinzog. Wenzel schwankte unausgeglichen zwischen Kampfeslust und Menschenscheu, war gespalten zwischen schwermütiger Passivität und hektisch aufflammendem Tätigkeitsdrang in vielen grausam geführten Kriegen, besonders gegen Österreich, wo das Geschlecht der Babenberger im männlichen Stamm ausgestorben war. Nach den Kriegszügen, auch bei drohender Gefahr, konnte sich Wenzel in unauffindbar einsame Orte zurückziehen.
Das Leben an der Seite dieses Königs mochte für Kunigunde, das Kind aus einer glücklichen Ehe, schwierig gewesen sein. Hinzu trat das unentschlossene Verhalten Wenzels im Kampf zwischen Kaiser Friedrich II. und den Päpsten, in welchem Wenzel bald auf der einen, bald auf der anderen Seite stand. Wegen seiner schwankenden Haltung wurde Wenzel vom Papst »König von Bohemia oder besser Blasphemia« genannt. Noch schwieriger wurden für Kunigunde die häuslichen Verhältnisse, als die politischen Kämpfe im Reich zum Zwiespalt zwischen Vater und Sohn, Wenzel I. und Ottokar II., führten und zum Bürgerkrieg ausarteten.
Ein erschreckendes und bedrohendes Ereignis auch für Kunigunde wurde der Einfall der Mongolen in Schlesien, also an der Grenze Böhmens. Die Gefahr war unabsehbar. Der Herzog von Schlesien war ein Schwager Wenzels. Trotz der Bedrohung des Reichs durch das asiatische Heer zögerten die deutschen Fürsten, auf den Hilferuf Wenzels Truppen zur Abwehr zu entsenden. So zog Wenzel allein mit seinem Heer gegen den herandrängenden Feind. Er kam zu spät. Herzog Heinrich von Schlesien hatte mit einem deutsch-polnischen Heer am 9. April 1241 eine Schlacht in dem Dorf Wahlstatt bei Liegnitz gewagt. Er wurde, angeblich durch einen Gasangriff, einer von den Chinesen übernommenen Kriegstechnik, vernichtend geschlagen und im Kampf getötet. Der Tod des mongolischen Großkans Ügedei veranlaßte sein Heer zum Rückzug.
Mit   furchtbaren   Verwüstungen    des   mährischen Marchtals wandte sich der Sieger nach Ungarn.
Kunigunde mußte noch erleben, daß ihr Gatte von ihrem staufisch gesinnten Sohn Ottokar II. gestürzt und aus Prag vertrieben wurde. Während der Kämpfe zwischen Vater und Sohn starb sie am 12. September 1248, wenig mehr als vierzig Jahre alt, ob in dem verwüsteten Prag oder an einem Ort, dahin Wenzel vor seinem Sohn geflohen war — wir wissen es nicht.
Was sich von ihr erhalten hat, sind durch sie gestiftete Klöster, wie das der Zisterzienser in Marienthal in Sachsen; sie hatte die Klöster Oslawan, Tischnowitz und Brewnow, die älteste Benediktinerabtei Böhmens, gefördert und das Herburgskloster Marienzelle in Brünn ausgestattet.
Eine Betrachtung über Kunigunde von Schwaben als Königin von Böhmen kann nicht abgeschlossen werden, ohne an ihren Sohn zu erinnern. Der Zug König Ottokars II. zum Imperialen mag staufisches Erbe sein. Ottokar II. wurde einer der mächtigsten und bedeutendsten Herrscher der nachstaufischen Zeit. Gerade das verhinderte seine Wahl zum deutschen König. Die Fürsten zogen ihm den wenig einflußreichen und nicht mit Gütern gesegneten Grafen Rudolf von Habsburg vor.
König Ottokar II. wurde »als ein Sproß, den das glückliche Böhmen mit dem Blute des Göttlichen (Friedrich II.) gezeugt«, gerühmt.