Die Frau im Zeitalter des Wassermanns

In einer traurigen Lage wären wir, wenn wir nicht,
den Horizont von Osten, Westen, Norden und Süden
her erhellend, die neuen, jungen Frauen von heute
sähen, die, da die Zeit der weiblichen Versklavung
dahinschwindet, Blicke des Erkennens über die
Zeiten hinweg ihren älteren Schwestern zuwerfen.
Edward Carpenter

In den Augen der Männer gibt es zwei Arten von Frauen.das Sexobjekt und ,»die andere«. Zur ersten gehören die Ehefrau, die Mutter, die Geliebte und all die mannbaren jungen Mädchen, die Ehefrau, Mutter oder Geliebte werden können. Dieser Gruppe Frauen bringen die Männer eine Toleranz entgegen, die sogar vor ihnen selbst die zugrundeliegende Furcht und den Haß verbergen, die alle Männer gegenüber allen Frauen empfinden.
Zu »der anderen« rechnen alle unverheirateten Frauen über 40, nahezu alle intellektuellen und ganz besonders alle Frauen, die nicht überwiegend auf den Mann ausgerichtet sind. Nach Ansicht der Männer stehen diesen letzteren weder menschliche Rechte zu, noch haben sie eine Daseinsberechtigung. Sie sind einfach entbehrlich. Man gestattet ihnen zu leben nur dann, wenn sie ihre Unterlegenheit in einer »weiblichen« Art hinnehmen, d.h., wenn sie vom Leben nichts fordern, weder Gerechtigkeit noch Beachtung erwarten und sich im übrigen so verhalten, wie es jene Säule der jungen Kirche, der Heilige Clemens von Alexandrien, gefordert hat: »Jede Frau sollte bei dem Gedanken, ein Weib zu sein, von Scham überwältigt werden.«
Diese clementinische Philosophie hat das Denken der abendländischen Gesellschaft für nahezu 2000 Jahre beeinflußt. Die Vorstellung wird in allen Bereichen unserer modernen Kultur sichtbar, in all unseren Bräuchen, in unseren Einstellungen, unseren Bildungswerten und selbst in unseren Gesetzen. Trotz der sozialen  Fortschritte der letzten hundert Jahre wird die Lehre von der weiblichen Unterlegenheit von der Mehrheit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, von Männern wie von Frauen, immer noch stillschweigend anerkannt. »Tasächlich ist das Mädchen von Geburt an der unausweichlichen, ob nun rohen oder sanften Beeinflussung ausgesetzt, sie sei minderwertig und unterlegen,« schreibt Horney.[1] Andererseits wird der Junge von klein auf gelehrt, er sei das wertvollste Geschöpf Gottes. Daß diese Lehre von der männlichen Überlegenheit eine Täuschung ist, eine falsche jüdisch-christliche Auffassung, verdeutlicht eine im Januar 1969 untersuchte Klasse, in der schwarzen Amerikanerinnen die Einstellung des weißen Mannes gegenüber den Geschlechtern eingeimpft wurde. Ergebnis der Unterrichtsstunde war, daß »die Männer die natürlichen Führer sind, weshalb die schwarzen Frauen sie unterstützen und achten müssen«. »Die männliche Überlegenheit beruht auf drei Dingen«, meinte die Lehrerin: »auf Überlieferung, Anerkennung und Vernunft.«
Sie wiederholte damit nur, was man ihr über das ideale Verhältnis zwischen den Geschlechtern in einer männlichen Gesellschaft zu erklären aufgetragen hatte. Doch welche »Überlieferung«? Die jüdisch-christliche? Welche »Anerkennung«? Die des Mannes? Und welche »Vernunft«? Keine, als die des maßlosen männlichen Egoismus'. Mehr noch, diese schwarzen Frauen, die für Jahrtausende der Kopf, das Rückgrat und die Ernährerinnen ihrer Familien waren, mußten still dasitzen und so tun, als ob sie diese weiße männliche Propaganda hinnähmen. Wie hätten sie sich wohl verhalten, wenn man an Stelle von männlich das Wort weiß verwendet hätte? »Die weiße Überlegenheit beruht auf drei Dingen (...)!« Die Lüge von der männlichen Überlegenheit kann aber doch für die Frauen nicht schmählicher sein als die von der weißen für die Schwarzen.
Kürzlich sprach eine bekannte Persönlichkeit über die mangelnde Teilnahme der schwarzen Frauen in der Frauenrechtsbewegung. Offensichtlich war dieser Person nicht bekannt, daß sich in der Welt der schwarzen Frau im Gegensatz zu der der weißen die Frage des »Selbstverständnisses« nicht stellt. Nur in der weißen Welt bedeutet das Geschlecht ein Hindernis. Die einzige schwarze Frau im amerikanischen Kongreß, die Abgeordnete Shirley Chisholm von New York, gab jüngst in einem Fernsehinterview zu, daß in der Welt der Weißen ihr Geschlecht sie mehr beeinträchtige als ihre Hautfarbe. In der Bürgerrechtsbewegung waren in den Verwaltungs- und den Entscheidungsgremien schwarze Männer und Frauen gleichmäßig vertreten, während sich in den verschiedenen Studentenbewegungen die weißen Mädchen beklagen, daß sie von weißen Jungen mit solch nebensächlichen Aufgaben betreut werden, wie z.B. dem Beschriften von Umschlägen, dem Zubereiten von Kaffee und dem Befriedigen sexueller Bedürfnisse. Somit ist offensichtlich, daß zumindest in der abendländischen Welt der Kult von der weiblichen Unterlegenheit ein Ergebnis unserer jüdisch-christlichen Erziehung ist und weder natürlich noch angeboren. Tatsächlich ist er genau das Gegenteil der gewöhnlichen natürlichen Verhältnisse. In der Natur ist das Weibliche die Hauptsäule, die das Leben stützt, das Männliche hingegen nur eine Ausschmückung, ein »nachträglicher Einfall«, eine entbehrliche geschlechtliche Beifügung. Man muß nur sehen, wie das weibliche Geschlecht jeder Art von der Natur geschützt und erhalten wird. Nur ihm sind, wie die Naturforscher, die Biologen, die Humangenetiker aussagen, die Schutzhülle, das Tarngefieder, die Nahrungsvorräte, der wirksamere Stoffwechsel, die mehr spezialisierten Organe, die größere Widerstandsfähigkeit, die angeborene Immunität gegen bestimmte Krankheiten, das zusätzliche X-Chromosom, mehr Gehirnwindungen, das stärkere Herz und das längere Leben gegeben.[2] Im Plan der Natur ist das männliche Geschlecht nur eine »verherrlichte Keimdrüse«[3] Das weibliche jedoch ist die Art.
Wenn die Menschheit heute unglücklich ist, was alle modernen Philosophen bestätigen, dann nur deswegen, weil sie sich in der vom Mann geschaffenen Spiegelbildgesellschaft nicht wohlfühlt, in jener verkehrten Welt, in der die tragende Säule der Natur gezwungen ist, als Randleiste des Tragbalkens zu dienen, während die Randleiste sich müht, das Gebäude zu tragen.
Tatsache ist, daß der Mann die Frau mehr braucht als sie ihn. Da er sich dessen bewußt war, hat er die Frau wirtschaftlich von sich abhängig zu halten gesucht, was für ihn die einzige Möglichkeit war, sich für sie notwendig zu machen. Weil die Frau am Anfang nicht seine willige Sklavin werden wollte, hat er im Verlauf der Jahrhunderte eine Gesellschaft errichtet, in der die Frau ihm dienen mußte, wenn sie überleben wollte. Während fünfzehnhundert Jahren hat der abendländische Mann seine Versklavung der Frau vernunftmäßig mit ihrer »Geschlechts-Rolle« erklärt, mit der Tatsache, daß »Gott sie so schuf«, wie Roy Wilkins 340 kürzlich sagte, »daß Gott selbst sie benachteiligte, indem er ihr die Aufgabe des Gebarens zuwies. Dieser weitverbreitete Glaube, der von Männlichkeitsanbetern beiderlei Geschlechts vertreten wird, beruht auf zwei falschen Prämissen: erstens, daß alle Frauen Mütter sein müssen und wollen, und zweitens, daß die weiblichen Funktionen zwangsläufig benachteiligen und lähmen.
Durch nüchterne Statistiken ist die erste Annahme leicht zu widerlegen. 1967 ergab eine Volkszählung, daß von 73 Millionen erwachsenen Frauen in den Vereinigten Staaten nur 43 Millionen »lebensfähige Ehemänner« und von diesen nur 24 Millionen kleine Kinder hatten.[4] Also gehörten in den Vereinigten Staaten weniger als ein Drittel der Frauen in die Gruppe, in die die männliche Ideologie alle einordnet.
Doch die Gesellschaft benützt weiterhin die Fortpflanzungsrolle der Frau als Rechtfertigung dafür, sie weiterhin in Knechtschaft zu halten. Weil sie eine Gebärmutter hat, ist sie nicht ganz ein Mensch; weil sie gesegnet ist mit lebensspendenden Organen, ist sie minderwertig. Weil sie schwanger werden kann, muß sie sich mit zweitklassigen Stellen, zweitklassiger Bezahlung, zweitklassiger Bildung, zweitklassiger ärztlicher Fürsorge und zweitklassiger Gerechtigkeit abfinden. Sie muß damit rechnen, länger bei den Behörden zu warten und mehr für alle Dienstleistungen bezahlen zu müssen und Freiwild zu sein für jeden betrügerischen Handwerker, Arzt, Rechtsanwalt, Händler, Vorgesetzten, Bettler, Schneider, Wahrsager und Dieb. Sie muß sich sogar damit abfinden, unnötig zu leiden, weil die Ärzte unseres Landes, zu 95 % Männer, in der Überlieferung von der »Verdammnis Evas« erzogen worden sind, nach der es für die Frau normal und natürlich ist zu leiden. »Gott schuf sie so.«
Daß die weiblichen Funktionen eine Frau benachteiligen, ist nicht ein Mangel der Natur, sondern der Gesellschaft. In früheren Gesellschaften waren sie eine Selbstverständlichkeit, zusätzliche Eigenschaften des überlegenen »Mehrheits-«geschlechts, und die Gesellschaft paßte sich ihnen an. Wie wir gesehen haben, fühlten sich Männer sogar gezwungen, sie nachzuahmen, um zur Mehrheit zu gehören.
Aber die patriarchale, männlich orientierte Gesellschaft hat diese natürlichen Funktionen in Besonderheiten der unterlegenen Minderheit verwandelt, die unerwünscht sind, mit Ausnahme für den Fortbestand der Menschheit. Gerade deswegen wurden die natürlichen weiblichen Funktionen in einer immer mehr männlichen Gesellschaft in allzu vielen Fällen wirklich hinderlich. Alle Frauen leben heute in einer männlichen Welt, in der die menschlichen Eigenschaften der Frauen entwertet und geleugnet, während ihre rein geschlechtlichen Merkmale überbewertet und überbetont werden. Die Scheu, mit der der Mann stets die geheimnisvollen Funktionen der Frau betrachtet hat, endeten in dem Versuch, die ganze Angelegenheit und damit die Frau selbst zu verunglimpfen und unter den Teppich zu kehren.
Eine solche Leugnung der Persönlichkeit führt bei den Opfern zu Anspannung und Belastung und damit unweigerlich zu Gefühlen der Unsicherheit. Auch bei Primitiven und Affen, die man in ständiger Anspannung hält, entwickeln sich Regelund Geburtsschwierigkeiten, die in ihrer natürlichen Umgebung nicht auftreten. Wenn die Frauen wieder wie Menschen behandelt und gewertet werden und nicht wie Sexobjekte, wenn man ihre Selbstachtung und Würde genauso berücksichtigt wie die des Mannes, dann werden ihre »weiblichen Behinderungen« verschwinden.
Sicherlich waren Tomyris, Hiera, Artimisia, Camilla, Veleda, Boadicea, Cartismandua, und Jeanne d'Arc bei der männlichsten aller Beschäftigungen, dem Krieg, durch ihre Weiblichkeit nicht behindert. Für die Alten waren weibliche Tapferkeit und weiblicher Heldenmut nichts Absonderliches oder Ungeheuerliches, noch betrachtete man schöpferische und geistig hochstehende Frauen wie Aspasia, Sappho,[5] Corinna und Nausicaa als Ausnahmen. Nur in der neueren Zeit hat der Mann das »biologische Hindernis« in den Weg der Frau gelegt. Erst als »die Kirche ihren Würgegriff angesetzt hatte, (...) konnten die Frauen, die vom Priestertum ausgeschlossen und von ihren Vätern und Brüdern als geistig minderwertig angesehen wurden, nichts anderes mehr erstreben als einen Mann, viele Kinder und einen christlichen Tod«.[6] Die Frau mußte ein Sexobjekt sein, ein Zuchttier, eine Mutter und nichts anderes, weil nach dem Dogma der christlichen Kirche Gott sie so geschaffen hatte.
Vor über 2000 Jahren schrieb der heidnische Philosoph Piaton: »Der Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht nur darin, daß die Frauen Kinder austragen und die Männer sie zeugen. Das beweist aber nicht, daß sich die Frau vom Mann in anderen Bereichen unterscheidet.«[7] Im aufgeklärten Griechenland wurden die Jungen und Mädchen in gleicher Weise erzogen und auf eine gleiche geistige Betätigung im späteren Leben vorbereitet.
Trotz aller Schmähungen der weiblichen Intelligenz stellt man seit langem fest, daß kleine Mädchen im Vergleich zu Jungen früher laufen, sprechen, lesen und schreiben lernen und eher reifen. Das ist so offensichtlich, daß man sich in Erzieherkreisen ernsthaft überlegt, ob man nicht die Buben erst ein oder zwei Jahre später in die Schule schicken sollte, damit sie nicht von den Mädchen überholt werden. Im 19. Jahrhundert wurde die Frühreife der Mädchen tatsächlich als Beweis für ihre Unterlegenheit benutzt: Kleine Affen und Kinder afrikanischer Wilder, hieß es da, reifen eher als weiße Kinder. Weiße Menschen seien aber sicherlich intelligenter als Affen und Wilde aus Afrika. Ergo waren Männer intelligenter als Frauen.
Als man später, nachdem die Mädchen wieder mit ihren Brüdern zur Schule gehen durften, herausfand, daß diese weibliche Frühreife die ganze Schulzeit hindurch andauerte, erklärte man, Schülerinnen erschienen nur tüchtiger: Da sie kleiner seien und ihre Rechtshändigkeit stärker ausgeprägt sei, fielen ihnen das Lesen und Schreiben leichter, und wegen ihrer größeren »Gelehrigkeit« und Bereitwilligkeit seien sie bessere Schülerinnen. Aber diese frühe Überlegenheit, so versicherte man die Eltern und Erzieher, verschwände auf dem College, wo sich der »tiefere« Verstand des Jungen zeigen würde. Das stimmte natürlich alles recht gut, solange nur die Jungen zum College gingen. Wenn er auch mit seinen sechzehn Jahren im Vergleich zu seiner vierzehnjährigen Schwester ein Dummkopf war, so war doch jedermann überzeugt, daß beim Sohn der Knoten aufgehe, sobald er das College besuche, und seine Schwester aus dem Rennen schied.
Als dann nach dem Ersten Weltkrieg auch die Schwester aufs College gehen konnte, da war sie, mirabile dictu, immer noch tüchtiger. Wie nun das auf einmal? Nachdem man einige Versuchsballone hatte steigen lassen, kamen Psychologen und Erzieher auf folgende Erklärung: Die Mädchen hätten keinen Ehrgeiz (!) und seien deshalb geneigt, sich allen Fächern in gleicher Weise zu widmen. Man solle nur bis zur Hochschule warten. Dort würden sich die männliche Intelligenz und die Fähigkeit, abstrakt zu denken, herausstellen. Jetzt stützen wir diese Meinung, indem wir es den Mädchen so schwer wie möglich machen, auf die Hochschule und zu höheren Abschlüssen zu kommen, mit Ausnahme der Bereiche Hauswirtschaft und Sozialfürsorge, in denen wenige Studenten vertreten sind.
Eine  1967 vom National Manpower Council der Universität Columbia veröffentlichte Studie erklärt: »Von fünf (CollegeSchülern), die auf Grund ihrer Fähigkeiten den Abschluß erreichen könnten, sind (...) zwar drei davon Schülerinnen, aber sie machen ihn nicht.« In der Gruppe der Hochbegabten, bei der die Frauen nahezu 60 % ausmachen, bemüht sich nur eine aus dreihundert, oder 3/10 %, um einen höheren Abschluß. Doch schon vorher haben 75 % der begabten Schülerinnen nach der Highschool aufgehört. Dieselbe Studie erbrachte, daß von denen, die die Highschool abschließen, mehr Mädchen als Jungen für den Besuch des College geeignet sind. »Aber aus dieser Gruppe (von Begabten) besuchen die Hälfte der Jungen und nur ein Viertel der Mädchen das College, um es später abzuschließen.«[8] Man muß gar nicht erst erwähnen, daß auch viele Schüler, die nicht zu dieser Gruppe von Begabten gehören, auf das College weitergehen, was beweist, daß wir dort nicht unsere klügsten Köpfe ausbilden, ganz zu schweigen von der Hochschule.
Der verschwenderischste »geistige Abfluß« spielt sich heute in Amerika im Küchenausguß ab, durch den täglich mit dem Spülwasser die Wünsche und Fähigkeiten von 51,97 % unserer begabtesten Bürger hinabfließen, von Hausfrauen, deren Intelligenzquotienten die ihrer Männer, für die sie das schmutzige Geschirr säubern müssen, in den Schatten stellen. Stendhal sagte sehr treffend, daß »alle Genies, die als Frauen geboren werden für die Welt verlorengehen«.
Was die Fähigkeit zu abstraktem Denken angeht, dem letzten Bereich der Vertreter der männlichen geistigen Überlegenheit, so sagte Pater Stanley de Zuska, der Vorsteher der Mathematischen Abteilung des Boston College, in einem Interview am 30. Mai 1968, er habe bei seinem Unterricht in der neuen Mathematik gefunden, daß Mädchen aller Altersstufen bei abstrakten Gedankengängen angeregter mitarbeiten und sie auch schneller auffaßten als Jungen.[9] So viel nun zu der alten Phrase, den Jungen entspreche das abstrakte Denken, den Mädchen und Schwachsinnigen hingegen das mechanische Auswendiglernen.
Erst vor kurzem hat eine auf alle Vereinigten Staaten ausgedehnte allgemeine Untersuchung erbracht, daß die Mädchen vom Kindergarten bis zum College durchschnittlich einen höheren Intelligenzquotienten besitzen als Jungen.
Doch wie der sprichwörtliche Blutfleck auf dem Stein, so hält sich weiterhin die Ansicht, Frauen und Mädchen seien nicht so intelligent wie Männer und Jungen. Wieviele Gegenbeweise sind denn noch nötig? Die Frauen sind in der ungerechten Lage, daß sie immer wieder, jede für sich und eine Generation nach der anderen, beweisen müssen, daß sie den Männern in allen Bereichen zumindest ebenbürtig sind. Ihre Fähigkeit nimmt man nie als gegeben hin. Um überhaupt beachtet zu werden, müssen sie stets zeigen, daß sie dem durchschnittlichen Mann tatsächlich überlegen sind. Und in allzu vielen Bereichen verweigert man ihnen weiterhin sogar die Möglichkeit, sich selbst zu bestätigen.
Die Männer behaupten, sie hätten nichts dagegen, wenn die Frauen erfolgreich seien, solange sie ihre »Weiblichkeit« bewahrten. Doch die Eigenschaften, die die Männer für »weiblich« halten — Furchtsamkeit, Unterwürfigkeit,  Gehorsam,  Albernheit und Selbsterniedrigung —, sind genau die Wesensmerkmale, die mit Sicherheit auch den begabtesten Bewerber zu Fall bringen. Was ist denn diese gepriesene »Weiblichkeit«? Für die von beiden Geschlechtern kommenden Befürworter des Männlichen schließt »Weiblichkeit« all das ein, was Männer in den letzten Jahrhunderten in das weibliche Bild eingefügt haben: Schwachheit, Dummheit, Unselbständigkeit, Masochismus, Unzuverlässigkeit und eine gewisse  >babydoll<-Geschlechtlichkeit, die in Wahrheit nur eine Übertragung männlicher Wünsche ist. Für die Fürsprecher des Weiblichen, seien sie nun Männer oder Frauen, ist Weiblichkeit gleichbedeutend mit dem ewigen weiblichen Prinzip, nämlich  mit  Stärke,  Integrität, Weisheit, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit  und  einer  seelischen Kraft,  die  den unverdrossenen Männlichkeitsverehrern aus beiden Geschlechtern fremd und deshalb gefährlich ist.
Die fälschlicherweise als »weiblich« bezeichnete Frau, die von ihrem Erfinder, dem Mann, so sehr bewundert wird — die Frau die sich in ihre Minderwertigkeit fügt und die die Vorstellung des Mannes verinnerlicht hat, sie sei zu seiner »Gefährtin« und zu nichts anderem bestimmt — ist in Wirklichkeit die »männliche« Frau. Die wirklich weibliche Frau bebt innerlich vor Zorn darüber, daß sie sich mit dem negativen Bild identifizieren soll, das sich ihr Ausbeuter von ihr gemacht hat, und daß sie sich den Vorstellungen ihres Peinigers über das Weibliche und den damit verbundenen, vom Mann verfügten Beschränkungen anpassen soll.[10]
Das sind die Frauen, die »entschlossen sind, weder den anmaßenden Egoismus der Männer länger zu ertragen noch in sich oder anderen Frauen die Verschlagenheit und sklavische Unterwürfigkeit zu dulden, die die notwendigen Ergänzungen der männlich-weiblichen Beziehungen sind«. Das sind die jungen Frauen von heute, die, ermüdet von ihrer Rolle als »Vasallen« des Mannes und als Mittel seiner Lust, begonnen haben, ihrem eigenen Geschlecht seine alte Würde zurückzugeben.
Aus all diesen Gründen behaupten die Sozialpsychologen, die moderne amerikanische Frau »sei sich über ihre Rolle im unklaren«. Es ist jedoch nicht die Frau, sondern der Mann, der sich über die Rolle der Frau im Unklaren ist. Der Mann, nicht die Frau, klammert sich an die überholte Vorstellung von der Frau als seiner ausschließlichen >Gehilfin<. Die Frau blickt weiter zurück, über die Häupter der Patriarchen hinweg, und sie erkennt sich so, wie sie die Natur ursprünglich schuf: als die eigentliche Kraft des menschlichen Fortschritts.
Seit sich der Mann zum ersten Mal die Rolle Gottes auf Erden anmaßte und zum Herrn der Frau erklärte, suchte er sie nach seinen Wünschen zu formen; und indem er sie, wie Mill sagt, hier stutzte und dort begoß, indem er unerwünschte Triebe abfrieren ließ und dann verbrannte, »züchtete er die Frau entsprechend dem Wohle und Belieben ihres Herrn; und jetzt glaubt er gar, daß der Baum von sich aus so wächst, wie er ihn zu wachsen zwang«.[12] Wie eine majestätische Bergfichte, die von einem rücksichtslosen Gärtner zu groteskem Zwergwuchs eingeengt und gestutzt wird, so kämpfen auch die verkümmerten Wurzeln und Äste des weiblichen Wesens um ihre Freiheit, um erneut die Grenzenlosigkeit des Himmels und der Erde zu erfahren.
Die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte über war die Frau die Führerin. Sogar in dem kurzen geschichtlichen Zeitabschnitt vor der Erfindung des Eigentums und den damit einhergehenden Kriegen und Plünderungen waren Verstand, Einsicht und Verständnis zum Überleben weit wichtiger als brutale Kraft. Wenn das Geheimnis des Überlebens in brutaler Kraft bestanden hätte, wäre der Mensch schon vor langer Zeit den größeren Tieren, die gleichzeitig mit ihm existierten, unterlegen. Doch zum Überleben war Kraft keine Notwendigkeit. Auffassungsgabe, Voraussicht, Eingebung und Intelligenz waren nötig, und in diesen wichtigeren Eigenschaften zeichneten die Frauen sich aus. Es waren die Frauen, an die sich die Männer wandten, wenn es um Führung, um die Erklärung der Naturereignisse und die Verbindung zur Natur und zur Ewigkeit ging. Die Frau war Prophetin, Priesterin, Richterin, Medizinerin, Königin und Göttin.
Die Entdeckung des Mannes, daß Kraft — physischer Zwang und Brutalität — nicht nur die kleineren Tiere, sondern auch die ihm geistig und seelisch überlegene Frau einschüchtern konnte, war zweifellos die »Erkenntnis des Bösen«, die seine »Erbsünde« darstellte, seine »Entlassung aus der Gnade«.
Mit diesem neuen Bewußtsein über seine körperliche Überlegenheit eignete sich der Mann nach und nach alle traditionellen Vorrechte der Frauen an, vertrieb sie endlich sogar vom Thron, von dem aus sie ihr Volk gelehrt und geführt hatte und trieb sie tiefer und tiefer in die Rolle der Kurtisane. Erst in den letzten tausend Jahren, einem Moment im langen Zeitenlauf, ist es dem Mann im Abendland gelungen, ihr eine ausgesprochene Nebenrolle als Gegenstand seiner sexuellen Bedürfnisse und Sklavin seiner Annehmlichkeiten zuzuweisen. Das Resultat sehen wir heute — Gewalt, Elend, Verwirrung und eine so ausgesprochen ideologische Einteilung der Gesellschaft in Schichten, wie sie in der Geschichte noch nie vorgekommen ist.
Der Mann ist von Natur aus ein pragmatischer Materialist, ein Mechaniker, ein Liebhaber von Apparaten und Apparatismen; und diese Eigenschaften zeichnen das >Establishment< aus, von dem die moderne Gesellschaft bestimmt wird: Pragmatismus, Materialismus, Mechanisierung und Apparatismus. Die Frau dagegen ist eine praktische Idealistin, eine Menschenfreundin mit einem stark ausgeprägten Sinn für noblesse oblige, eher eine Altruistin als eine Kapitalistin.
Der Mann ist ein Feind der Natur: das Töten, das Roden, das Einebnen, die Verunreinigung und die Zerstörung sind seine instinktiven Reaktionen auf die ursprünglichen Erscheinungen der Natur, die er im Grunde fürchtet und denen er mißtraut. Die Frau dagegen ist eine Verbündete der Natur, ihre Instinkte umfassen das Umsorgen, das Nähren, die Unterstützung gesunden Wachstums und die Einhaltung des ökologischen Gleichgewichts. Sie hat die natürliche Begabung, die Führung der Gesellschaft und der Kultur innezuhaben, und daß der Mann sich ihre ureigene Autorität angeeignet hat, ist die Ursache für das außer Kontrolle geratene Chaos, das die Menschheit unaufhaltsam in die Barbarei zurückführt.
Buckminster Fuller schockierte sein Studiopublikum bei einer Fernsehsendung im Jahre 1968 und löste nervöses Kichern aus, als er den Gedanken äußerte, unsere Gesellschaft könnte gerettet werden, wenn man den Frauen wieder ihre uralte Führung in der Regierung überließe, während die Männer sich auf ihre Apparaturen und Spiele beschränkten. Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag, und in seiner Befolgung könnte die letzte Hoffnung für die Menschheit bestehen. Lediglich das maskuline Ego, eine erworbene Eigenschaft, keine angeborene, steht einer annehmbaren Gesellschaft, die sich humanen Zielen verschreibt, im Wege, einer Gesellschaft, die von weiblichen Eigenschaften wie Selbstlosigkeit, Mitgefühl und Einfühlungsvermögen bestimmt ist.
Als der Mann an seinem eigenen Bild Gefallen fand, wurden männliche Unzulänglichkeiten wie Arroganz, Selbstüberschätzung, Kampfeslust und Selbstsüchtigkeit durch die Alchemie seiner Eigenliebe in Tugenden verwandelt; das Gegenteil davon jedoch, Bescheidenheit, Freundlichkeit, Geduld und Verantwortlichkeit, wurden zu Fehlern degradiert, die für das >schwächere< Geschlecht charakteristisch sind.
Als der Mann die Eigenarten seines Geschlechts, nämlich Muskelstärke und geistige Unreife, überzubewerten begann, entwickelte er die Gewohnheit, Wirklichkeit mit Berührbarkeit gleichzusetzen. »Alles, was sinnlich (...) nicht zu erfassen war, wurde zu einem zweifelhaften oder fiktiven Pseudowert.«[13] Indem er die mystischen Kräfte der Frau herabsetzte, durchtrennte er selbst seine Verbindung zu den höheren Dingen, den »ewigen Wahrheiten«, deren Erkenntnis ihn von den niederen Tieren unterschieden hatte. Da er jede Offenbarung übersinnlicher oder außersinnlicher Wahrheiten vernichtete und nur noch sinnliche Materie anbetete, veränderte er sich selbst zu einem rein biologischen Organismus und versagte sich selbst die göttlichen Bereiche, die ihm einst die Frau enthüllt hatte. Doch auch sie, die Zauberin, mußte jetzt entwertet werden.
Ihr animalischer Leib jedoch blieb für den neuen körperorientierten Mann ein notwendiges Attribut, und er machte sich daran, sie aus seinem eigenen Grundmaterial in einen rein biologischen Organismus wie er selbst umzuformen — zu einem geeigneten Weibchen, einem hilfreichen Gegenstück für sich — seine biologische Ergänzung. Jahrhundertelang führte er erfolgreich eine Gehirnwäsche durch, um sie glauben zu machen, daß sie wirklich aus seiner Rippe gemacht sei, daß sie dazu da sei, ihm ein Trost zu sein, die Empfängerin seines Samens, der Brutkasten für seine Nachkommen, durch die sein Name fortbestehen würde.
So wurde die heilige Flamme ihrer ursprünglichen und göttlilichen Macht unterdrückt und beinahe ausgelöscht. Die ganzen Zeitalter des Widders und der Fische hindurch, jener Zeit des Krieges und des Materialismus, herrschte die plumpe Natur des Mannes, während das himmliche Licht der Frau unter dem Scheffel der männlichen Macht verborgen war.
Wir befinden uns nun an der Schwelle eines neuen Zeitalters des Wassermanns, den die Griechen Hydrochoos nannten, den Wasserträger, den Erneuerer, den Wiederbeleber, den Unterdrükker von Feuer und Durst. Vor 52 000 Jahren, am Beginn eines anderen Wassermann Zeitalters war es, als die große Königin Basilea Ordnung und Gerechtigkeit in eine Welt brachte, die durch Gesetzlosigkeit und Krieg in Flammen stand, ähnlich unserer im 20. Jahrhundert. Heute wie damals sind die Frauen die Vorkämpferinnen der heraufdämmernden neuen Zivilisation; und die Frauen sind es, auf die wir bauen bei der Erlösung in den heilenden und erneuernden Wassern des Wassermanns.
Einem solchen neuen Zeitalter sehen wir jetzt mit Hoffnung entgegen, da das gegenwärtige Zeitalter des Maskulinen sich erfolgreich selbst zerstört wie alle seine Vorgänger in der unglaublich langen Kulturgeschichte auf unserem Erdball. Die älteste geschriebene Geschichte, die uns heute zur Verfügung steht, berichtet von der sumerischen Göttin Tiamat, die vor vielen tausend Jahren für eine aussterbende Menschheit die Kultur wieder zum Leben erweckte. In Ägypten rief die große Königin-Göttin Isis eine neue Kultur ins Leben, nachdem Typhon und Osiris in ihren Kriegen die bestehende Kultur zerstört hatten. Piaton schreibt, daß die Göttin Athene ein neues Griechengeschlecht schuf, nachdem die Titanen die alte Ordnung der Zerstörung durch Feuer anheimgegeben hatten. Nach dem polynesischen Mythos erschuf die Göttin Atea die Welt von neuem, nachdem der Himmel in Flammen aufgegangen war, die von einem schrecklichen Krieg der alten Götter entfacht worden waren.
In den dreißiger und vierziger Jahren sah der Harvard-Soziologe Pitirim Sorokin die gegenwärtige sozio-kulturelle Revolution voraus. Er sagte vorher, daß sie das Ende der Zivilisation andeute, wie wir sie bisher in der Geschichte gekannt haben, und daß sie »einen der großen Übergänge in der menschlichen Geschichte von einer Kulturform zur anderen« ankündige.[14] Sorokins neue Kultur stimmt in erstaunlichem Maße mit dem Matriarchat überein, wie es andere beschreiben: Ein Utopia, das auf Liebe und Vertrauen, gegenseitige Achtung und Teilnahme begründet ist, in dem alle Männer und Frauen wahre Brüder und Schwestern unter der gerechten Führung einer wohlwollenden Gottheit sind, und in dem die Gesetze mehr aus Überzeugung und gutem Willen erfüllt werden und nicht unter Gewalt und Zwang.
In Kritias sagt Platon, daß die Göttin Athene »uns menschliche Wesen umsorgte wie der Schäfer seine Schafe — nicht mit Schlägen oder körperlichem Zwang, sondern durch Überzeugungskraft. So führte und leitete sie ihre sterblichen Geschöpfe.«[15] Im Goldenen und Silbernen Zeitalter der Göttinnenherrschaft, schreibt Hesiod, »lebten die Menschen sorglos, ohne alt oder müde zu werden, und tanzten und sangen viel; der Tod war für sie nicht schlimmer als der Schlaf.« Nach dem Tod der Göttin dagegen »machte die optimistische Vorstellung von der zukünftigen Welt, an die (die Menschheit) im Wiedererwachen am Busen der großen Göttin geglaubt hatte, einem düsteren Pessimismus Platz (...). Mit dem Rückzug der ursprünglichen mütterlichen Welt und dem Auftreten neuer, männlicher Götter wurde die Welt häßlich (...).«[16]
Die Fäulnis des männlichen Materialismus hat in der Tat alle Bereiche des Lebens des 20. Jahrhunderts durchdrungen und greift nun sogar auf sein Innerstes über. Das einzige Gegenmittel ist die Rückkehr zu den Werten des Matriarchates und die Wiederentdeckung des immateriellen Kosmos, der sich auf den erwachenden Geist unserer Vorfahren so vermenschlichend ausgewirkt hatte. Naturwissenschaftler vieler Länder gewinnen heute ein neues Verständnis dieser unsichtbaren Welt, da sie fast täglich neue Naturerscheinungen entdecken, die mit den bisherigen Gesetzen nicht zu erklären sind. Es gibt offensichtlich auch eine Wissenschaft des Übernatürlichen, deren Gesetze sich der moderne Mensch überhaupt nicht bewußt war und an die er sich erst jetzt allmählich anpaßt.
Dieses Wissen von der anderen Welt, am Anfang den Frauen bekannt, vom späteren materialistischen Mann jedoch aufs äußerste geschmäht, verlieh der Frau der Urzeit ihre Macht über den Mann.

Die Erhebung des Weibes über den Mann erregt dadurch vorzüglich unser Staunen, daß sie dem physischen Kraftverhältnis der Geschlechter widerspricht. Dem Stärkeren überliefert das Gesetz der Natur das Szepter der Macht. Wird es ihm von schwächeren Händen entrissen, so müssen andere Seiten der menschlichen Natur tätig sein, tiefere Gewalten ihren Einfluß  geltend gemacht haben. Es bedarf kaum der Nachhilfe alter Zeugnisse,  um  diejenige  Macht,  welche  diesen Sieg  vorzuweisen errang, zum Bewußtsein zu bringen. Zu allen Zeiten hat das Weib durch die Richtung seines Geistes auf das Übernatürliche, Göttliche, der Gesetzmäßigkeit sich Entziehende, Wunderbare den größten Einfluß auf  das männliche Geschlecht, die Bildung und Gesittung der Völker ausgeübt. (...) Geschichtliche Erscheinungen aller Zeiten und Völker bestätigen die Richtigkeit dieser Beobachtung. Wie die erste Offenbarung in so vielen Fällen Frauen anvertraut worden ist, so haben an der Verbreitung der meisten Religionen Frauen den tätigsten (...) Anteil genommen. Älter als die männliche ist die weibliche Prophetie (...). Die Frau, wenn auch schwächer als der Mann, (ist) dennoch fähig, zu Zeiten sich weit über ihn emporzuschwingen. (...) Mit solchen Kräften ausgestattet, vermag das schwächere Geschlecht den Kampf mit dem stärkeren  aufzunehmen  und siegreich  zu  bestehen. Der höheren physischen Kraft des Mannes setzt die Frau den mächtigen Einfluß ihrer religiösen Weihe, dem Prinzip der Gewalt das des Friedens, blutiger Feindschaft das der Versöhnung, dem Haß die Liebe entgegen, und weiß so das durch kein Gesetz gebändigte wilde Dasein der ersten Zeit auf die Bahn jener milden und freundlicheren Gesittung hinüberzuleiten, in deren Mittelpunkt sie nun als die Trägerin des höheren Prinzips, als die Offenbarung des göttlichen Gebots herrschend thront. Hierin wurzelt jene zauberartige Gewalt der weiblichen Erscheinung, welche (...) dem offenbarenden und rechtsverkündenden Ausspruch der Frau Unverbrüchlichkeit sichert und in allen Dingen  seinem  Willen  das  Ansehen  des  höchsten Gesetzes verleiht.[17]

Das Zeitalter des Männlichkeitskultes geht nun seinem Ende entgegen. Seine letzten Tage werden durch ein Aufflammen einer alles erfassenden Gewalttätigkeit und Verzweiflung erhellt, wie es die Welt bisher noch kaum gesehen hat. Menschen guten Willens suchen von überall Hilfe für ihre zugrunde gehende Gesellschaft, doch vergeblich. Jegliche unserer kranken Gesellschaft verordnete soziale Reform hat nicht mehr Wert als eine Binde für eine klaffende und faulende Wunde. Nur eine vollständige Zerstörung der Gesellschaft kann die lebensgefährliche Krankheit heilen.
Nur der Sturz der dreitausend Jahre alten Bestie des männlichen Materialismus wird die Menschheit retten.
In der neuen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts wird nicht körperliche, sondern geistige Kraft maßgebend sein. Außersinnliche wird die sinnliche Wahrnehmung an Bedeutung übertreffenund in diesem Bereich wird die Frau wieder überlegen sein. Sie die vom Mann der Frühzeit wegen ihrer Fähigkeit, das Unsichtbare zu sehen, angebetet und verehrt wurde, wird erneut der Drehpunkt sein — nicht als geschlechtliche, sondern als göttliche Frau —, um den die nächste Zivilisation wieder wie die ursprüngliche kreisen wird.